Sprachaufenthalt Montpellier Erfahrungsbericht von Lisa
Erfahrungsbericht
Februar, 2022 | Lisa
Das Telefon klingelt. Ich schaue auf das Display. 021… Westschweizer Vorwahl. Panik! Ich atme durch. Hebe ab und schaue auf meine Spickzettel am Computer. «Je parle un peu Français », « un moment s’il vous plaît » und « je vous transfère». Alles schön notiert. Die Person spricht drauf los. Schweissperlen bilden sich langsam auf meiner Stirn. Mir wird heiss.
In meinem Job gehören diese Situationen zum Daily Business. Und jedes Mal: Stress pur. Das muss sich ändern. Neues Jahr neue Vorsätze. Im Januar verabschiede mich von den Minustemperaturen der Schweiz und werde von angenehmeren 12 Grad in Montpellier empfangen. Elf Wochen Französischunterricht und ein Ziel: ein Sprachdiplom.
Ich verstehe nur « la gare »
Vor Ort werde ich herzlich von Nathalie, meiner Gastmutter empfangen. Natürlich bin ich nervös. Meine Spickzettel helfen mir hier nicht mehr weiter. Nathalie spricht extra sehr langsam und deutlich. Zu meiner Überraschung verstehe ich gar nicht so wenig. Sie gibt mir eine Tour durch die Wohnung und ich erhalte die erste Französischlektion: « le salle de bain», «le salon», «la chambre». Achso, für diesen Moment habe ich wohl die Voci in der sechsten Klasse gelernt.
Das Lernen geht beim Abendessen weiter. Nathalie kocht «Hachis Parmentier», ein Auflauf mit Hackfleisch und Kartoffelpüree. Eine Kombination, die ich so nicht kenne, aber nie wieder vergessen möchte. «Très bon» oder sagt man doch «Très bien»? Nach dem Essen helfe ich gerne beim Abwasch oder beim wegräumen und sauber machen. Dabei wird die Stimmung noch ein wenig gemütlicher, die Gespräche tiefgründiger. Wir machen uns einen Tee oder Espresso und setzen uns nochmals an den Tisch, lassen den Tag und das gute Essen ausklingen.
Am nächsten Morgen versucht mir Nathalie den Weg in die Institut Linguistique Adenet (ILA) zu erklären. Ich verstehe nur «la gare» und gebe kurzerhand den Weg in Google Maps ein. Ich habe genug Zeit und gehe zu Fuss. Vorbei an gemütlichen Bistros, edlen Restaurants und hippen Cafés. Früh morgens schläft die Stadt noch, das meiste ist noch geschlossen. Ausser die Bäckereien. Da kann ich nicht vorbei gehen. Es riecht herrlich nach frischgebackenem Brot und Kaffee. Irgendwie werde ich automatisch in die Bäckerei geleitet, dass muss an diesen wunderschönen Pain au Chocolat liegen. Ich gönne mir eines, beisse rein und fühle mich wie im Paradies. Es ist noch warm. Die Schokolade etwas flüssig. «Délicieux»!
Wir sind alle hier, um zu lernen
Kurz darauf sitze ich im Klassenzimmer. Ich schau mich im Raum um. Wie ist wohl das Niveau? Werde ich mithalten können? Die erste Schweissperle kündigt sich schon wieder an. Alles halb so schlimm. In der ersten Lektion unterhalten wir uns, stellen uns vor und hören den Geschichten der Lehrerin zu. Meine Unsicherheit verschwindet langsam. Ich merke wie alle auf dem gleichen Niveau sind und niemand spricht perfekt Französisch. Wir sind alle hier, um genau dies zu verbessern.
Nach der Hälfte meines Sprachaufenthaltes besuche ich den Vorbereitungskurs für die Diplomprüfung. Mittlerweile fühle ich mich im Französisch viel sicherer. Nur noch die Vorstellung der Prüfungssituation lässt mich schwitzen. Im Unterricht werde ich aber darauf vorbereitet. Wir lösen Probeprüfungen und simulieren die mündliche Prüfung nach. Meine Prüfungsangst verfliegt langsam, denn auch die Lehrer sprechen mir gut und vor allem Mut zu.
Einfach loslaufen und entdecken
Wenn ich nicht in der Sprachschule bin, findet man mich irgendwo in der Stadt. Montpellier ist keine touristische Grossstadt wie Paris, aber es gibt einiges zu sehen. Mein Tipp: einfach loslaufen ohne Ziel. Mal links abbiegen, mal rechts. So entdecke ich viele kleine, versteckte Plätze, gemütliche Cafés und malerische Gassen.
Auch im Winter lohnt sich ein kurzer Ausflug zum Strand. Obwohl sich der Sand unter den warmen Schuhen nicht ganz so gut anfühlt. Aber am Meer zu sein, gibt immer ein bisschen ein Freiheitsgefühl. Eine gewisse Erholung. Und wer mutig ist, so wie ich, traut sich auch im Januar ins Meer. Danach aber schnell wieder in die warme Kleidung und auf einen Kaffee oder Tee ins nächste Bistro.
Ausserhalb von Montpellier gibt es auch einiges zu entdecken. Über die Sprachschule buche ich Ausflüge nach Avignon, Aix-en-Provence oder auch Carcasonne. Mit einem Mietauto fahre ich nach Marseille. Sicher nicht die beste Entscheidung. Einen Grossteil meines Ausflugs verbringe ich im Stau. Aber Marseille ist es Wert. Ein wunderbarer Ort mit enorm viel Geschichte, auch da habe ich viel gelernt, denn was erzählt wurde war nur auf Französisch.
Egal wohin ich fahre und was ich alles entdecke, ich kehre immer wieder gerne nach Montpellier zurück. Ich liebe die Stadt, geniesse den Lifestyle und könnte mich daran gewöhnen. Gemütlich durch die Strassen schlendern, in einem trendigen Café mein Pain au Chocolat verzehren oder am Wochenende meine Freundinnen zum Brunch treffen.
Wie eine Französin
Die Gespräche beim Abendessen mit Nathalie werden immer fliessender. Als ich mich, nach einem Ausflug mit dem Auto, über den französischen Verkehr beklage, beginnt sie zu lachen. Ich klinge ja wie eine richtige Französin. Ich lache mit. Das Kompliment gibt mir einen Push für die bevorstehende Prüfung. Ich fühle ich mich gut vorbereitet.
Ich bestehe. Nicht mit Bestnote, aber besser, als ich erwartet hätte.
Bevor ich abreise, hole ich mir bei meiner Stamm-Boulangerie ein letztes Pain au Chocolat. Am liebsten würde ich einen ganzen Vorrat nach Hause nehmen. Die Verkäuferin hinter der Theke kennt mich mittlerweile, packt mir ein zweites Pain ein und wünscht mir «bon voyage».
Traurig verabschiede ich mich von Nathalie, meinen Lehrerinnen und Lehrer und von meinen Freundinnen.
Zurück bei der Arbeit entsorge ich als erstes meine Spickzettel. Diese brauche ich jetzt nicht mehr.
Tags: Erwachsene, Frankreich, Französisch, Institut Linguistique Adenet Montpellier, Montpellier
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